Erstes Gebärdensprache-Wörterbuch
Die Mongolei hat ihr erstes Online-Wörterbuch für die mongolische Gebärdensprache (MSL*) vorgestellt.
Das kostenlose Wörterbuch richtet sich an MSL*-Experten, Lehrer, Dolmetscher und die Gehörlosengemeinschaft.
Das Projekt wurde durch unsere Projektmitarbeitenden umgesetzt und vom finnischen Aussenministerium unterstützt. Die Entwicklung basierte auf einer landesweiten Umfrage, bei der mehr als 90 Personen aus der Gehörlosengemeinschaft interviewt und Gebärden von allen Provinzen zusammengetragen wurden. Das Wörterbuch wird die soziale Teilhabe und Inklusion von Gehörlosen fördern und ihren Zugang zu Bildung und Dienstleistungen verbessern. Es trägt auch zur Erhaltung und Weiterentwicklung der MSL* bei und dient als wichtiges Werkzeug für MSL*-Dolmetscher. Die Macher haben betont, wie bedeuten dieser Schritt ist, um die Gehörlosengemeinschaft zu unterstützen und sicherzustellen, dass die Gebärdensprache in der digitalen Umgebung etabliert und verbreitet wird. Diese Initiative ist ein entscheidender Schritt, um das Leben hörgeschädigter Menschen in der Mongolei zu verbessern, und steht im Einklang mit den weltweiten Bemühungen, integrativere Gesellschaften zu schaffen, in denen alle Sprachen, einschließlich Gebärdensprachen, anerkannt und unterstützt werden.
*MSL : Mongolian Sign Language
Bild-Quelle: «First-ever online sign language dictionary launched»
Anujin – Eine Geschichte von Entschlossenheit und Empowerment – Teil 4/4
Anujins Zukunftsstreben
Anujin ist entschlossen, sich für die Rechte von Menschen mit Hörbehinderungen einzusetzen, die es in ihrem Leben und Studium schwer haben, da die mongolische Gesellschaft noch nicht integrativ und zugänglich für Menschen mit Behinderungen ist.
Deshalb widmet sich Anujin nun dem Unterrichten der Gebärdensprache und hat einen eigenen YouTube-Kanal eingerichtet, auf dem mittlerweile mehr als 20 Lektionen zu sehen sind.
Sie betreibt jetzt auch eine Seite auf Facebook mit dem Titel «Lasst uns die mongolische Gebärdensprache lernen», um durch Online-Lehrprogramme und Social-Media-Plattformen ein breites Publikum zu erreichen. Durch ihre Online-Gebärdensprachprogramme und die Erstellung zugänglicher Inhalte in Form von Vlogs, Reels und Kurzvideos versucht sie, das Bewusstsein für Menschen mit Hörbehinderungen in der Mongolei und darüber hinaus zu schärfen. Ihr Programm wird immer beliebter und sie erhält viele Anfragen von Einzelpersonen und Organisationen, die sie mit Gebärdensprachdolmetschern unterstützen möchten.
Inspiriert durch ihre Erfahrungen und die unerschütterliche Unterstützung, die sie von Menschen erhielt, die sich für sie einsetzten, möchte sie ihre Fähigkeiten in den Bereichen Wirtschaft und Projektmanagement weiter ausbauen, mit dem letztendlichen Ziel, mit bekannten Organisationen zusammenzuarbeiten, um verschiedene Schulungsaktivitäten für junge Menschen durchzuführen.
Sie hat vor, moderne Informationstechnologien für Menschen mit besonderen Bedürfnissen zugänglich zu machen und Beschäftigungsmöglichkeiten für gehörlose Jugendliche in 21 Provinzen zu schaffen, einschließlich derjenigen, die im Erwachsenenalter mit dem Erlernen der Gebärdensprache beginnen.
Anujins großer Traum ist es, dafür zu sorgen, dass niemand zurückgelassen wird und dass jeder Mensch mit Hörbehinderungen die Möglichkeit hat, die Gebärdensprache zu erlernen und in einer barrierefreien Zukunft zu gedeihen.
Sie ist nach wie vor sehr dankbar für die Unterstützung, die sie erhalten hat, und setzt sich dafür ein, ihre Träume zu verwirklichen.
«Es waren meine liebevollen Eltern, die sich dafür einsetzten, dass mein Bruder und ich die Gebärdensprache lernen. Jetzt möchte ich ein Segen für andere sein, die diese Liebe und Unterstützung brauchen», bekräftigt Anujin.
Anujin – Eine Geschichte von Entschlossenheit und Empowerment – Teil 3/4
Englisch lernen ist das Tor zur Verwirklichung ihrer Träume
Anujin hat seit ihrer Kindheit davon geträumt, die Welt zu bereisen. Sie träumte davon, neue Kulturen und neue Länder zu erkunden und zu erleben.
Da sie wusste, dass das Erlernen der englischen Sprache für sie das Tor zur Verwirklichung ihrer Träume sein würde, begann sie bereits in der High School Englisch zu lernen. Trotz anfänglicher Zweifel an ihren Englischkenntnissen und der Angst vor Diskriminierung aufgrund ihrer Behinderung zögerte sie nicht, jede Gelegenheit für ein Auslandsstudium zu ergreifen. Im Jahr 2021 bewarb sie sich für das, von der US-Botschaft angebotene SUSI-Programm (Study of US-Institute) für Studentinnen, war jedoch nicht erfolgreich. Sie ließ sich nicht entmutigen und bewarb sich 2022 für das Global UGRAD-Programm der US-Botschaft.
«Ich war überglücklich, als ich die E-Mail erhielt, dass ich in der ersten Runde ausgewählt wurde», erinnert sie sich. Sie arbeitete hart, um die Bewerbungsphase zu bestehen und das Stipendium zu erhalten. «Das Global UGRAD-Programm, das vollständig von der amerikanischen Regierung finanziert wird, war für mich wie ein Tor zur Welt».
Ihre Reise in die USA eröffnete ihr eine Welt voller Möglichkeiten. Sie fand schnell viele neue Freunde in den Staaten und reiste gemeinsam mit ihnen. Sie stellte fest, dass die Menschen sie wie eine normale Person behandeln. Sie fühlte sich nicht diskriminiert oder unwohl in der Nähe von Menschen mit normalem Gehör, geschweige denn in einem fremden Land. Sie hatte sich noch nie so stark gefühlt, wie bei ihrer Abschlussfeier des Sprachprogramms in den USA, als sie in Gebärdensprache sprach.
Als sie von ihrem Auslandsprogramm nach Hause zurückkehrte, war sie noch entschlossener, sich zu engagieren und ihr Bestes zu geben, um ihre hörgeschädigten Mitschüler zu unterstützen. Ihre ermutigenden Worte an ihre Freunde lauteten: «Nichts ist unmöglich!»
Anujin – Eine Geschichte von Entschlossenheit und Empowerment – Teil 2/4
Allen Widrigkeiten zum Trotz
Mit dem Eintritt in die Universität begann ein neues Kapitel in ihrem Leben, welches große Herausforderungen mit sich brachte. Es fiel ihr schwer, in den Vorlesungen mit ihren hörenden Kommilitonen Schritt zu halten, was dazu führte, dass sie zusätzliche Stunden für das Selbststudium benötigte, um den Rückstand aufzuholen.
In der Mongolei gibt es an den Universitäten keine Unterstützung für Studenten mit besonderen Bedürfnissen. Sie wandte sich an den Universitätsdirektor und bat um einen Dolmetscher oder um anderweitige Unterstützung. Aufgrund finanzieller Engpässe konnte die Universität ihrer Bitte jedoch nicht nachkommen. Entschlossen, ihren Traum von einem Abschluss in Sonderpädagogik zu verwirklichen, suchte sie Hilfe bei einer humanitären Organisation. Mit deren Unterstützung konnte sie einen Dolmetscher des mongolischen Gebärdensprachdolmetscherverbands finden, eine wesentliche Hilfe, die sie sehr zu schätzen weiß, weil sie ihr geholfen hat, ihr Studium abzuschließen und ihre Ziele zu erreichen.
Während ihres Studiums versuchte sie, jede Gelegenheit zu nutzen, um sich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen einzusetzen. Sie gewann den ersten Platz im Redewettbewerb «LISTEN TO ME: I AM VOICE FOR HUMAN RIGHTS» unter Universitätsstudenten und Jugendlichen anlässlich des Internationalen Tages der Studentenrechte.
Ermutigt durch ihre kleinen Erfolge schloss sie sich dem «Deaf Voter Project» an und bot dem Allgemeinen Wahlausschuss (CEC) ihre Unterstützung an, um die Nachrichten rund um die Wahlen zum ersten Mal direkt an gehörlose Bürger im ganzen Land in Gebärdensprache zu übersetzen.
Anujin – Eine Geschichte von Entschlossenheit und Empowerment – Teil 1/4
Anujin erzählt ihre Geschichte
«Ich habe das große Glück, dass meine Eltern meine Sprache sprechen. Meine Familie ist wahrscheinlich eine der wenigen Familien in der Mongolei, die die Gebärdensprache spricht», sagt Anujin Boldoo, 23 Jahre alt und Lehrerin für Sonderpädagogik.
Anujin wurde 2001 gehörlos geboren. In ihrem Kindergarten namens «Barbaruush» (ein Jungtier) lernte sie die Gebärdensprache.
«Gehörlose Menschen haben ihre eigene Sprache und Kultur. Wir hören mit unseren Augen und sprechen mit unseren Händen. Meine Muttersprache ist die Gebärdensprache», sagt Anujin.
Sowohl Anujin als auch ihr kleiner Bruder, Galdan, der ebenfalls mit einer Schwerhörigkeit geboren wurde, haben das Glück, in einer liebevollen und unterstützenden Familie aufzuwachsen. Ihre Eltern, Boldoo und Delgermaa, haben die Gebärdensprache gelernt, um mit ihren Kindern zu kommunizieren und sprechen diese heute fliessend. Anujin erinnert sich gerne an die Zeit, als sie noch klein war und ihr Vater für sie Fernsehsendungen übersetzte.
Da beide Elternteile die Gebärdensprache fließend beherrschen, hatte Anujin das seltene Privileg, sich von klein auf frei auszudrücken und mit ihrer Familie zu kommunizieren – ein Luxus, der vielen Gehörlosen in ihrem Land nicht vergönnt ist. Anujin erhielt von ihren Mitschülern häufig Bemerkungen wie: «Du hast eine außergewöhnliche und einzigartige Familie, mit der du dich frei in Gebärdensprache unterhalten kannst.» Zunächst verstand sie die Bedeutung dieser Beobachtung nicht ganz, aber in der High School begann sie die Tragweite zu begreifen und erkannte, dass viele andere Gehörlose isoliert waren, weil sie nicht die Möglichkeit hatten, über die Gebärdensprache Kontakt zu ihren Familien aufzunehmen.
«Ich bin so gesegnet und dankbar für meine Eltern. Sie sind ein grosses Geschenk», sagt Anujin.
Anujin erkannte schnell, wie wichtig die Kommunikation ist, um die Kluft zwischen der Welt der Gehörlosen und der Welt der Hörenden zu überbrücken. Nach ihrem Schulabschluss 2019 an einer Sonderschule für hörgeschädigte Kinder, studierte sie an der Staatlichen Pädagogischen Universität der Mongolei, angetrieben von ihrer Leidenschaft, Kinder ihrer Art zu auszubilden, um sie besser in die Gesellschaft zu integrieren und eine Brücke zwischen der hörenden und der gehörlosen Welt zu schlagen.
Galdan gewinnt Parameisterschaften im Tischtennis
Galdan (gehörlos) gewinnt das Schülerturnier in Tischtennis. Er ist nicht nur ein ausgezeichneter Schüler, sondern auch ein begabter Sportler.
Herzliche Gratulation!
Narmandakh – eine mutige gehörlose Touristenführerin
Mein Name ist Narmandakh, bin seit Geburt gehörlos und wohne in Ulaanbaatar, der Hauptstadt der Mongolei. Als ich sechs Jahre alt war, wurde von MASLI* ein Kindergarten für Gehörlose eröffnet, wo ich die Gebärdensprache lernte. Eine neue Welt öffnete sich für mich. Einige Jahre später, ich war inzwischen eine Teenagerin, erzählte mir ein Mitschüler von einer Kirche, in der biblische Geschichten in Gebärdensprache vermittelt werden. Das hat mich sofort fasziniert.
Ich studiere Touristik, weil ich Reiseleiterin werden möchte. Im Sommer 2024 absolvierte ich ein Praktikum bei einem Mongoleireisenanbieter. Dank Unterstützung von MASLI wurde ich dabei zum ersten Mal von einer Gebärdendolmetscherin begleitet. Das hat mir unglaublich geholfen, alles zu verstehen. Dieses Praktikum war eine der besten Erfahrungen meines Lebens.
Als Gehörlose fühle ich mich an der Universität oft ausgegrenzt, weil ich bei Exkursionen oder Vorlesungen nicht alles mitbekomme. Doch mit der Dolmetscherin kann ich mich voll einbringen und lerne viel über die Geschichte und Kultur meines Landes.
Ich bin MASLI sehr dankbar, dass sie gehörlosen Studierenden wie mir solche Unterstützung anbieten. Ich hoffe, dass diese Dolmetscherdienste auch in Zukunft weiter angeboten werden, damit wir alle die Chance auf Bildung und ein selbstständiges Leben haben.
*MASLI ist eine mongolische Organisation, die sich mit Unterstützung auch aus der Schweiz seit 2006 unermüdlich für die Integration von Gehörlosen in die Gesellschaft und die Förderung der Gebärdensprache einsetzt. In der Schweiz ist POD International die Partnerorganisation und unterstützt Gehörlose in ihrer Ausbildung.
Anujin hat ihr Lehrerdiplom, herzlichen Glückwunsch!
Nach 4,5 Jahren Studium an der Pädagogischen Universität in Ulaanbaatar hat Anujin ihren Bachelor und ist nun Sonderschullehrerin mit Schwerpunkt Gebärdensprache.
Wir gratulieren ganz herzlich!
Anujin bedankt sich von Herzen bei ihrer Familien, Freunden, Lehrpersonen, Gebärdendolmetscher und Dolmetscherinnen und besonders bei euch, liebe Spenderinnen und Spender, für die beständige Unterstützung.
Anujin war eine Kindergärtnerin im 2006 vom Projekt eröffneten Kindergarten für Gehörlose. Wir freuen uns, dass sie, und einige andere dieser ersten Klasse, heute mit beiden Beinen im Leben stehen.
Kindergarten Nr. 7 in Darkhan – MASLI

Ein erfolgreiches Jahr 2023
Das Gehörlosenbildungsprojekt konzentriert sich auf die Umsetzung eines bilingualen Gehörlosenbildungsansatzes, dies bedeutet mongolische Gebärdensprache und mongolische Schriftsprache. MASLI etablierte eine Bildungsplattform in mongolischer Gebärdensprache für Gehörlose und Hörende auf Facebook (fb.com/MongolianDeafEducation). Über diese Plattform teilen Interessierte Sprache, Identität und Kultur. Durch das Verwenden der bilingualen Methode führt dies zu unendlichen Möglichkeiten für die Gehörlosen und vermittelt ihnen das Gefühl, Teil der Gesellschaft zu sein.
Der spannende Jahresbericht 2023 kann hier eingesehen werden.
Projektbeschrieb
Im Jahre 2006 begannen Hans Jutzi und der damalige Konsul der Schweiz in der Mongolei mit der Förderung der Ausbildung für Gehörlose. Durch das langjährige Engagement ist es für viele gehörlose Kinder möglich geworden, eine Bi-linguale Ausbildung zu beginnen und auch schon abzuschliessen. Seit 2018 ist die Gebärdensprache der Mongolei als Nationalsprache anerkannt und wird nach Möglichkeit von der Regierung gefördert.
Unsere Partnerorganisation, MASLI (Verein der mongolischen Gebärdensprachdolmetscher/-innen) setzt sich unermüdlich für die Herstellung von Lerninhalten und die Ausbildung von Lehrpersonen ein. Nach der Ausbildung von Lehrpersonen für Schulen in Ulaanbaatar hat sich das Wirkungsfeld von MASLI auf weitere Schulen auf dem Land ausgeweitet.